«Viele Menschen hier verlieren ganz viel an Lebensqualität»

Text & Foto: Monika Zech

Wenn die «Dreirosen» für zehn Jahre als Baustellendepot für den Rheintunnel genutzt wird, gehe etwas sehr Wertvolles für das Zusammenleben im Quartier kaputt, sagt Sabin Bally. Die Kunsthandwerkerin (64) wohnt seit 1988 in unmittelbarer Nähe zur Grünanlage.

«Als mein Partner und ich 1988 hier einzogen, gab es keinen nennenswerten Treffpunkt im Quartier. Die Dreirosenanlage war damals eher trist und bald darauf auch Baustellen-depot für den Neubau der Brücke. Aber die Nähe zum Rhein war genial. Und der Mietzins für die doch recht grosszügige Altwohnung war für uns erschwinglich. Jedenfalls freuten wir uns sehr, dass wir den Zuschlag bekamen. Obwohl es damals schon hiess: «Was, ihr zieht ins Matthäus?! Dort ists doch so gefährlich wegen Drogen und so!» Aber ich habe das Quartier nie als gefährlich empfunden. Auch heute nicht, weil immer viele Leute unterwegs sind. Laut wars am Anfang, ja, aber hauptsächlich wegen des Verkehrs auf der Dreirosenbrücke. Deshalb war die neue Brücke mit der Lärmschutz-Verglasung geradezu ein Segen.

Schrittweise veränderte sich in dieser Zeit so einiges, was das Quartier belebte. So entstand zum Beispiel die Ueli-Fähri, wodurch viel mehr los war am Rheinufer. Aber auch bei den Bewohnerinnen und Bewohnern gab es einen bemerkenswerten Wechsel. Lebten am Anfang unserer Zeit noch mehrheitlich ältere Leute hier, zogen mehr und mehr jüngere ein. Es gab wieder mehr Kinder, wir gründeten ebenfalls eine Familie. 1990 kam unsere Tochter, drei Jahre später unser Sohn zur Welt. Was immer noch fehlte im Quartier, war eine Grünanlage, die diesen Namen verdiente.

Die Umgestaltung der Dreirosenanlage wurde erst nach dem Neubau der Brücke in Angriff genommen, sodass unsere Kinder längst aus dem Spielplatz-Alter heraus waren, als die Anlage 2005 endlich eröffnet wurde. Umso mehr geniesse ich es nun, mit meiner
2 1/2-jährigen Enkelin dort zu sein. Was ich sehr oft mache, denn meine Tochter wohnt mit ihrer Familie jetzt im gleichen Haus wie wir. Die Enkelin liebt diesen Spielplatz! Er ist ja auch toll! Mit dem Brunnen und dem Bächlein, in dem die Kinder im Sommer so gerne planschen.

Überhaupt: Diese Anlage ist so enorm wichtig für so viele Leute hier! Als Treffpunkt, zum Sporttreiben, zum Spielen, zum Sein! An schönen Tagen ist voll hier! Wohin gehen sie alle, wenn es diese Anlage nicht mehr gibt?! Auch all die jungen Männer, die hier ihre Muskeln trainieren und so ihre Energien rauslassen! Was machen sie dann, wo lassen sie das raus?! Ich kann nicht verstehen, dass man etwas so Wertvolles für das Zusammenleben im Quartier einfach kaputtmacht, um einen neuen Autobahntunnel zu bauen! Und das in der heutigen Zeit, wo alles von Klimaschutz redet und wo man doch weiss, dass jede neue Strasse mehr Verkehr bedeutet! Ich weiss, dass es Leute gibt, denen es egal ist, die sogar sagen, dann ist wenigstens für eine Weile Ruhe im Quartier. Aber das kann ich nicht nachvollziehen. Klar, ich will nicht beschönigen: Wir haben ein paar Probleme wegen Gewalt, Drogen etc., doch die sind nicht einfach weg, wenn es die Anlage nicht mehr gibt. Aber es gibt ganz viele Menschen hier, die ganz viel an Lebensqualität verlieren, wenn diese Anlage für lange Zeit zum Baustellen-Niemandsland wird. Für meine Enkelin wäre die Dreirosen für den Rest ihrer Kindheit verloren, für mich – wer weiss – für meinen letzten Lebensabschnitt.» 

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