Text: Monika Zech
Foto: Monika Zech und BirdLife Schweiz
Mit dem Bau des Rheintunnels würde auch ein Teil des Hardwaldes zerstört. Damit ginge nicht nur Erholungsraum für die Menschen verloren, sondern ein Refugium vieler Pflanzen und Tiere, darunter auch geschützter Arten.
Der Hardwald, im Besitz der Basler Bürgergemeinde, ist eines der bedeutendsten Naherholungsgebiete rund um Basel. Eine grüne Oase, die den Menschen Rückzugsmöglichkeiten vom stressigen Alltag und lauten Umfeld der Stadt bietet, aber vor allem ein wertvoller und wichtiger Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen und deshalb als Naturschutzareal deklariert ist. Zudem ist der Hardwald auch Wasserschutzgebiet, aus dem das Trinkwasser für die Region gewonnen wird. Trotz all dem ist der Hardwald unter Dauerdruck. Mehrmals wurde er wegen verschiedener Bauprojekte verkleinert – seit 1833 um über hundert Hektaren – dazu leidet der Wald seit ein paar Jahren stark unter der durch den Klimawandel verursachten Trockenheit. Und nun droht neues, richtig grosses Unheil: Der Bau des Rheintunnels würde einen Teil des verbliebenen Waldes vollends zerstören. Judith Roth und Céline Evéquoz vom Vorstand des Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden (NVVB) zeigen auf einem Spaziergang, was dem Rheintunnel geopfert werden soll und welche Folgen das auf die Flora und Fauna hat.
Biodiversität auf einen Schlag zerstört
Es trällert und trillert, zirpt und zwitschert in hohen und hellen Tönen. Ein vielstimmiges, fröhliches Vogelkonzert an einem sonnigen Spätnachmittag im Mai, im Hintergrund ein dumpfes Rauschen vom Verkehr auf der Rheinfelderstrasse, die den Wald zerschneidet. Die vielen Regentage haben der Natur gutgetan, alles strahlt in sattem Grün, das Sonnenlicht glitzert durch die Bäume, bringt Blüten auf den Sträuchern am Wegrand zum Leuchten. Da und dort ragen markante Eichen, teilweise Totholz davon, hoch in den Himmel, im Unterholz zwischen den Bäumen raschelt es hin und wieder. «Es ist genau diese Vielfalt, die alle diese Tiere hier für ihr Überleben brauchen», sagt Judith Roth. Vielfalt an Pflanzen bedeutet auch Vielfalt an Tieren. Logisch, wo sich Amphibien, Reptilien und Nager, Vögel und Insekten einnisten können, gibt es auch genügend Nahrung für alle. «Wenn der Rheintunnel gebaut wird, kommen diese vielfältigen, ökologisch wertvollen Hecken und Bäume hier», Céline Evéquoz zeichnet mit dem Arm einen weiten Bogen, «alle weg.» Die ganze Biodiversität wäre auf einen Schlag zerstört.
Das Prinzip «Ersatz vom Ersatz vom Ersatz»
Über die Massnahmen zur Schadensbegrenzung, die das Bundesamt für Verkehr (UVEK) in ihrem Umweltverträglichkeitsbericht auflistet, können die beiden Naturschützerinnen nur den Kopf schütteln. Zum Beispiel Neuaufforstungen irgendwo im oberen Baselbiet – «als ob man einen über Jahrzehnte gewachsenen Lebensraum von hier nach da einfach versetzen könnte! Der Ersatz vom Ersatz vom Ersatz.» Oder zusätzliche Nistkästen für Spechte: «Was nützen Nistkästen, wenn die Hecken und Bäume weg sind und die Vögel keine Nahrung mehr finden?» Zudem sei das ein «fachlich unsinniger Vorschlag», schreibt der Naturschutzverein NVVB auch in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Bauvorhaben an das UVEK. In Fachkreisen wisse man, dass es schwierig bis unmöglich sei, Spechte zum Brüten in Nistkästen zu bewegen. Weil: «Spechte bauen jedes Jahr neue Bruthöhlen.» Allgemein scheint es das UVEK nicht allzu genau zu nehmen mit dem Naturschutz. So stützt sich sein Umweltverträglichkeitsbericht auf einen veralteten Brutatlas der Vogelarten (von 2013 – 2016) und ausserdem auf ein uraltes Reptilieninventar aus dem Jahr 1998, was berechtigte Zweifel an der Seriosität dieses Berichts aufkommen lässt.
Bundesamt vs. Bundesamt
Für Céline Evéquoz deutet jedenfalls einiges daraufhin, dass Bund und Kantone «den Naturschutz und die Umweltverbände nicht wirklich ernst nehmen.» Wie sonst lasse sich erklären, dass man das vom Tunnelprojekt betroffene Gebiet, das als Naturschutzgebiet der höchsten Stufe (4) eingetragen ist, einfach so zerstöre? Eine berechtigte Frage. Ins gleiche Kapitel gehört auch die Tatsache, dass im Hardwald nebst anderen Spechtarten auch der gefährdete Mittelspecht heimisch ist. Durch das «Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel» gilt der Mittelspecht rechtlich verbindlich als geschützt. In dem fast 70-seitigen «Aktionsplan Mittelspecht Schweiz», den das Bundesamt für Umwelt (BAFU) 2008 in Zusammenarbeit mit BirdLife Schweiz, der Schweizerischen Vogelwarte Sempach und dem Schweizer Vogelschutz SVS ausgearbeitet hat, sind die Massnahmen zum Schutz des Mittelspechts detailliert aufgeführt. In der Zusammenfassung ist als Ziel beispielweise formuliert: «Die aktuellen Mittelspechtbestände und ihre Lebensräume bleiben in ihrer heutigen Verbreitung erhalten.» Die Kantone werden bei der Umsetzung der Massnahmen zudem finanziell durch den Bund unterstützt. Da stellt sich schon die Frage: Weiss das Bundesamt für Strassen, was das Bundesamt für Umwelt festgelegt hat oder muss man das als klassisches Beispiel für den Spruch «die eine Hand weiss nicht, was die andere tut» betrachten?
Unter anderem deshalb haben BirdLife Schweiz und der Basellandschaftliche Natur- und Vogelschutzverband gegen den Bau des Rheintunnels gemeinsam Einsprache erhoben.
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